Testbericht Apple TV – Die Zukunft des Fernsehens?

„Ich schaue kein Fernsehen mehr!“ Mit diesen Worten flog 2008 mein alter Fernseher aus dem Zimmer und wurde seitdem nicht wirklich vermisst. Kurz zuvor hatte das Internet in meinem Zimmer Einzug erhalten und konnte zusammen mit dem Radio, meinen Medienkonsum komplett decken. 2011 wurde ich dann wieder ein wenig rückfällig und fing wieder an gelegentlich fernzusehen. Allerdings nur ausgewählte Sendungen und nur öffentlich rechtliche Programme. Privatfernsehen habe ich seitdem nicht mehr gesehen und um ehrlich zu sein auch nicht wirklich vermisst.

Was mich am Fernsehen immer gestört hat war, die zeitliche Abhängigkeit. Nicht ich entschied, wann ich meine Lieblingssendung sah, sondern der Programmdirektor. Als dann nach und nach die Mediatheken besser und vollständiger wurden, löste sich dieses Problem dann von selbst.

Bis 2015 war mein Leben vollkommen in Ordnung. Dann kam Netflix. Plötzlich konnte ich die Serien sehen, die es im Fernsehen nur mit Werbung und auf Deutsch gab. (Ihr wisst, wie es hier weitergeht.)

Irgendwann wurde mir aber klar, dass es Filme und Serien gibt, die man zwar auf einen 13″ Notebook sehen kann, die aber auf dem Sofa mit einem großen Bildschirm davor mehr Spaß machen.

Zwar gab es in unserem Haushalt schon ein so genanntes Smart-TV, doch wirklich Smart ist das nicht.

Ich testete mich also durch verschiedene Alternativen, angefangen beim Raspberry Pi, über den Mac, hinzu einem alten Windows PC, der dauerhaft am Fernseher hing. Alle Lösungen hatten so ihre Probleme.

Beim Pi war die Software nicht ausgereift genug und die Netzwerkgeschwindigkeit ließ zu wünschen übrig.

Mit dem MacBook ins Wohnzimmer rennen, nur um ein paar Serien zu sehen, war zu umständlich.

Und die Windows Kiste war zwar von der Einsetzbarkeit sehr gut, weil man so ziemlich jede Quelle abspielen konnte und man auch Spiele spielen konnte, schaffte es aber nicht einen HD-Film abzuspielen, ohne zu ruckeln oder zwischendurch nachladen zu müssen.

Die Industrie kommt diesem Problem mittlerweile nach und liefert Geräte, deren einzige Aufgabe es ist, Filme aus dem Internet abzuspielen. So hat Google den Chromecast, Amazon den Fire-TV Stick und Apple die Apple TV.

Google und Amazon nehmen sich nicht viel. Beide Geräte sind relativ klein, kosten nicht viel und sind hauptsächlich dafür gedacht, um Netflix und Prime Video abzuspielen.

Apple geht einen anderen Ansatz. Die Apple TV ist relativ teuer, verschwindet nicht hinter dem Fernseher und geht mehr in Richtung Computer. So kann man neben den VoD-Diensten auch noch Spiele spielen, sein Smart-Home steuern und vor allem per AirPlay den Fernseher als erweiterten Bildschirm für iOS und OS X Geräte benutzen.

AppleTV Gen. 4 Quelle: Apple.com

Letzteres war tatsächlich auch der Grund für mich eine Apple TV zu kaufen. Nun habe ich das Gerät ein paar Tage und meine ersten Erfahrungen damit gesammelt.

  1. Streaming
    Der App Store ist gut gefüllt mit fast allen Streaminganbietern, die man sich so wünschen kann. Neben ARD-Mediathek, ZDF-Mediathek und Arte, ist auch Netflix, YouTube, Vimeo und Sky dabei. Selbst eine App für Clipfish (ich wusste gar nicht, dass es die noch gibt) gibt es. Prime Video ist nicht dabei, da Amazon sein Fire TV verkaufen möchte. (Deppen!)
    In der Netflix App findet man sich schnell zurecht, jedoch ist es nicht möglich die Trailer anzusehen, weshalb man auf das iPhone zurückgreifen muss und die Trailer über AirPlay abspielen muss. Hier kann Netflix noch nachbessern.
    Dafür hat die VLC App überzeugt. Wie auch unter iOS, hat VLC schnell das NAS an der Fritz!Box entdeckt und kann sogar MKV, AVI und ähnliche Formate ohne langes Warten abspielen.
  2. Spiele
    Abgesehen von der Möglichkeit Filme zu sehen, kann man die Apple TV auch als Konsole benutzen. Der App Store bietet eine große Anzahl an durchaus aufwendigen Spielen. Gesteuert wird mit der Siri Remote, einem iOS Gerät oder Bluetooth Controllern. Alles läuft auf der Apple TV sehr flüssig, allerdings lässt die Siri Remote zu wünschen übrig. Zwar ist der Beschleunigungssensor ziemlich gut, doch liegt sie quer nicht besonders gut in der Hand und die Steuerung ist fummelig. Häufig drückt man im entscheidenen Moment die falsche Taste. Auch das iPhone eignet sich nicht besonders gut als Controller. Zwar lässt es sich besser bedienen, aber die Latenzen über Bluetooth sind etwas nervig. Insbesondere bei Real Racing 3 stört es, wenn man kurz vor der Kurve bremsen möchte und der Wagen dann erst in der Kurve eine Vollbremsung macht. Für den Hardcore PlayStation 4 Nutzer wird es nicht ausreichen, aber für den gelegentliche iOS Spieler ist es ganz nett die Spiele auch auf einem großen Bildschirm spielen zu können.
  3. AirPlay
    Im Sommerurlaub ein Foto gemacht und der Oma zu Weihnachten auf dem Fernseher zeigen wollen. Ein Kampf, bei dem man schon vorher weiß, dass man scheitern wird. Auf der Apple TV ist das möglich. Für Apple unüblich, ist das Mirroring, also Streaming des iOS/OS X Bildschirms auf dem Fernseher sehr offen und aus allen Apps möglich ist. Öffnet man ein Foto oder Video, wird dieses direkt zur Apple TV geschickt und nicht auf dem iPhone angezeigt. Somit ist es auch möglich Prime Video auf der Apple TV zu benutzen.
  4. Siri Remote
    Zur Steuerung der Apple TV gibt es eine kleine Fernbedienung, welche sich zum Navigieren ganz gut benutzen lässt. Neben einer Lautstärkenreglung, die über Infrarot zumindest an meinem Fernseher funktioniert, gibt es einen Home-Button, eine Menütaste, die einen eine Ebene zurück bringt, einer Play/Pause Taste, noch eine Siri-Taste, die in Deutschland nicht zu funktionieren scheint und ein Trackpad, wie man es von den MacBooks kennt. Das Wischen funktioniert gut, allerdings fühlt es sich komisch an, dass das Trackpad noch einen richtigen Hub hat, wenn man im Mac schon Force-Touch hat.
    Das Eingeben von Text ist ein Graus, allerdings bekommt man auch auf dem iPhone eine Notification, mit der man vom iPhone aus auf der Apple TV schreiben kann. Auch kann man die Apple TV vom iPhone aus steuern, bietet allerdings keine wirklichen Vorteile.
  5. HomeKit
    Kann ich nichts zu sagen, weil ich keine Smart-Home Geräte habe und somit nichts testen konnte.

Fazit:

Normalerweise muss man eine Frage am Anfang des Artikels mit Nein beantworten. In diesem Fall ist es aber anders. Der Fernseher wird in Zukunft immer mehr weg von seinen klassischen Aufgaben, hin zu einem großen Bildschirm gehen, bei dem man selber entscheidet, was man wann sieht. In gewisser Weise ist die neue Apple TV so ein bisschen, wie das erste iPhone. Ja, vorher gab es schon Smartphones/Settop Boxen, aber Apple hat gezeigt, wie es sich bedienen können muss. Ich sehe noch einige Probleme. So wäre ein ordentliches Multitasking noch nett, da man momentan weder Audio noch Video im Hintergrund laufen lassen kann. Picture in Picture fehlt noch, einen reinen Audioausgang hätte ich auch ganz gerne wieder und 180 € für die kleine Version ist zu viel. Hier empfiehlt es sich, ein wenig Ausschau nach Sonderangeboten oder Generalüberholten Geräten Ausschau zu halten. Mehr als 150 € ist sie wirklich nicht wert.

Außerdem muss sich Apple noch überlegen, wie sie diese ganzen Satellitenreciever, die insbesondere auf dem amerikanischen Markt vertreten sind, abschaffen. Entweder verbaut Apple noch einen TV-Reciever oder überzeugt die Kabelprovider ihre Sender über den App Store anzubieten und per Subscription über Apple abzurechnen.
Das Gerät selbst macht so einen ordentlichen Eindruck. Es ist neben dem Fernseher nicht besonders auffällig und scheint auch nicht zu wenig Leistung zu haben.
Spannend wird noch, wenn Apple in den Streaming Bereich einsteigen wird, da bisher das Kaufen und Leihen in iTunes ganz schön teuer ist.

Mal sehen, was tvOS 2 bringen wird und wie die Konkurrenz eine ordentliche Alternative zu AirPlay bieten wird.