Über Überraschungen

Wenn man ein Überraschungsei öffnet und sich darin kein Spielzeug befindet, dann ist das zum Beispiel eine Überraschung. Wenn man nach 30 Jahren Ehe, seine Frau mit dem Postboten im Ehebett erwischt, ist das hingegen keine Überraschung. Wenn das Ganze wiederum noch in der Hochzeitsnacht passiert, ist es wieder eine Überraschung. Ihr seht, es ist gar nicht so leicht zu sagen, was eine Überraschung ist. Die Zeitschrift New Scientist definierte einst eine Überraschung als „Wechsel der Erwartung aufgrund des Eintreffens neuer Daten“.

Nun ist eigentlich jeder Artikel, den ich schreibe, auf ein kürzlich stattgefundenes Ereignis in meinem Leben zurückzuführen. So auch dieser.

Wer mir auf Twitter folgt oder sonst irgendwie in letzter Zeit mit mir zu tun hatte, weiß dass ich demnächst weggehe. Auch wenn ich der Meinung bin, dass man darüber noch einmal gesondert reden sollte, da es in Zeiten des Internets so etwas wie Entfernungen nur noch bei Google Maps gibt. Ich bin also nicht wirklich weg, ich befinde mich bloß geografisch gesehen an einem besserem Ort.

Neulich nun, traf ich mich mit einigen Freunden zum gemeinsamen Musizieren. Hieß es jedenfalls. Wir musizierten anfänglich auch gemeinsam. Nach einiger Zeit kam jedoch ein Freund hinzu und verband mir zur Begrüßung die Augen. Mein erster Gedanke war natürlich, „Schöne Scheiße, jetzt gibt es Kloppe. Ich weiß zwar nicht wofür, aber ich habe sie sicherlich verdient“. Nun muss ich dazu sagen, dass ich eigentlich kein besonders großer Freund von Überraschungen bin, da sie nicht in mein pessimistisch geprägtes Weltbild passen und ich eigentlich schon ganz gerne wissen möchte, was mich in Kürze erwartet.

Der geneigte Lese, dem ich an dieser Stelle größten Respekt zollen möchte, da er noch nicht aufgehört hat zu lesen, weiß wahrscheinlich schon, was nun passiert, da ich kein großer Meister darin bin Spannung in einem Text aufzubauen. Schon damals in der Schule, habe ich es geschafft das Ende einer Geschichte in den ersten 140 Zeichen zu verraten.

Man nahm mir nun das Tuch vom Kopf ab und anstelle von einer Machete, wurde ich von Menschen begrüßt, die ich langläufig als meine Freunde bezeichnen würde. Freunde, zu denen ich teilweise bewusst und unbewusst seit Längerem keinen Kontakt mehr habe. Sie erklären mir, dass sie anlässlich meines bevorstehendem Martyriums (Das Wort haben sie nicht benutzt, aber ich mag es, weil es eine schöne Anspielung ist) für mich eine kleine Überraschungsparty zu veranstalten. Wer hätte gedacht, dass ich das noch erleben darf. Bisher kannte ich das nur aus schlechten Filmen, wo der Protagonist mit seiner Affäre ins Zimmer kommt und der gesamte Freundeskreis da steht und „Überraschung“ ruft.

Tatsächlich war ich überrascht und gerührt und würde ich Heulen können, hätte ich vielleicht sogar Freudentränen gehabt.

Im Laufe des Abends kam in meinem Kopf eine kleine Frage auf. Gehört zu so einem Abend nicht auch eine Rede? Nun bin ich kein besonders guter Redner und wie ich mittlerweile auch weiß, kein besonders guter Schreiber (und ich Depp habe angefangen zu Podcasten und zu Bloggen). Jedenfalls entschied ich mich dagegen. Jedoch blieb die Idee in meinem Kopf erhalten und deshalb starte ich hier den Versuch eine Rede aufzuschreiben.

Leute, ich bin kein großer Redner und es ist vielleicht möglich, dass einige von euch Christus suchen… …nee Moment falscher Text.

Meine lieben Mitmenschinnen und Mitmenschen,

einige von euch kenne ich nun schon fast acht Jahre lang. Und das ist dann doch schon eine Bemerkenswerte Zeitspanne, wenn man sich überlegt, was in diesen acht Jahren passiert ist. Ich habe euch kennengelernt als ein Haufen werdender Menschen, die keinen Respekt gegenüber der deutschen Rechtschreibung in Form des Duden haben. Die sich mit Papierrollen prügeln, bis sich einer fast die Hand bricht. Die regelmäßig Ausprobieren müssen, ob die Gesetze der Schwerkraft noch stimmen, indem sie Gegenstände aus dem Fenster werfen. Die sich mit ihren Schulrucksäcken prügeln. Die ausnahmslos über jeden meiner schlechten Hitlerwitze lachen. Die keinen Respekt gegenüber Martin Luther haben und ihn ankleiden, nee Moment, da war ich dran beteiligt.

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Die Stühle an Türklinken hängen, weil es lustig aussieht, nee Moment, das war ich.Stuhl Türklinke

Aber vor allem die unglaublich lieb, herzlich und lustig sind. Mit denen man über alles lachen kann und bei denen man garantiert die Hausaufgaben abschreiben kann, wenn man sie nicht gemacht hat. Nur wenige Menschen haben mein Leben so beeinflusst, wie sie das getan haben. Vermutlich ist das bei allen Menschen in dem Alter so. Eine von euch hat es sogar geschafft, mich dazu zubringen wieder zu fotografieren. Und siehe da, mittlerweile habe ich fast 1.200 Bilder veröffentlicht, für die ich mich nicht zu sehr schäme. Ein Bild hat es sogar mal in eine Zeitung geschafft. Wenn auch nicht unter meinem Namen (grummel).

Und dann gäbe es da noch diese unglaublich vielen, schönen Anekdoten, die wir gemeinsam erlebt haben. Wie ich es seiner Zeit geschafft habe, aufgrund eines Lachkrampfes, aus dem Unterricht zu fliegen. Wie wir damals alle zusammen sehr laut Musik im Klassenraum gehört haben und immer gehofft haben, dass der Lehrer die Musik nicht findet. Wie wir mit Hilfe des Endoplasmatischen Retikulums gemessen haben, wie Knülle man ist. Wie wir uns am Ende des MSAs geschworen haben, dass wir alle in Kontakt bleiben und uns regelmäßig treffen. Natürlich ist daraus nichts geworden und das ist auch gut so. Zwar haben wir uns später noch ein paar Mal zum Klassentreffen getroffen, aber viele aus unserer Klasse habe ich seit der Verleihung der MSA-Zeugnisse nicht mehr gesehen.

Und dann war die Schule zu Ende. Viele von uns gingen auf neue Schulen und haben neue Menschen kennengelernt. Ich habe neue Menschen kennengelernt und viele davon sehr schnell abgrundtief gehasst. Ich tue dies teilweise heute noch. Doch nach langem Suchen habe ich auch in diesem Kot, Menschen gefunden, die nicht komplett zum Kotzen waren (was Metaphern angeht, bin ich ein echter Meister). Viele von denen sah ich nur als Kriegsverbündete im gemeinsamen Kampf gegen die Lehrer an, doch auch unter denen, fand ich irgendwann Freunde. Und auch hier gibt es schöne Anekdoten. Wie ich damals einem Mitschüler auf der Klassenfahrt mitten in der Nacht Würstchen gebraten habe. Wie wir damals das WLAN-Passwort der Schule geknackt haben und das Internet geteilt haben, bis es unbenutzbar war. Wie ich damals mit einer Freundin im Deutschunterricht die ganze Zeit Quatsch gemacht habe, bis es Ärger gab. Wie wir damals bestimmte Mitschüler abgefüllt haben, bis diese sich haben schminken lassen und noch bescheuerter aussahen, als sonst. Oder wie wir damals zu viert im Englischunterricht saßen, den Hass der gesamten Klasse auf uns zogen und mit Gummibärchen gespielt haben.

Gummibärchen

Doch das eigentlich Erstaunliche ist, dass wir es trotzdem nebenbei noch geschafft haben etwas zu lernen und aus uns werdenden Menschen, noch mehr oder weniger richtige Menschen wurden.

So, ich habe jetzt für reichlich schlechte Stimmung gesorgt und verlinke deswegen hier noch ein paar Handselektierte Katzenvideos.