Das Sonntagsfrühstück

Das Sonntagsfrühstück. Wer kennt es nicht. Eine scheinbar glückliche Familie sitzt zusammen am Tisch. Mit einem echten Vater, eine echten Mutter und zwei guten deutschen Kindern. Welche natürlich von den Erzeugern abstammen, mit denen sie gerade am Tisch sitzen. Patchwork? Auf gar keinen Fall! Natürlich handelt es sich auch um einen Jungen und ein Mädchen. Selbstverständlich sind alle vier am Tisch sitzenden Personen auch gestriegelt und fein gekleidet. Auf dem Tisch stehen warme Brötchen von einem guten deutschen Bäcker, welche der Vater, mit seinem VW Passat, am Morgen geholt hat.  Dazu gibt es gekochte Eier von glücklichen Hühnern, Aufschnitt von glücklichen Tieren und zur Feier des Tages Nutella für die Kinder von glücklichen Nüssen. Während die Kinder Kakao von glücklichen Kakaobohnen trinken, trinken die Eltern Kaffee von glücklichen Kaffeebohnen. Nach dem Frühstück, gehen die Kinder im sonnigen Garten spielen und während die Mutter den Tisch abräumt, ist der Vater tief in seiner Sonntagszeitung versunken.

Diese Bild der typischen achtziger-Jahre Familie versucht uns die Werbe- und Fernsehindustrie seit Jahren weiß zu machen. Doch sieht die Realität leider anders aus. Wer von uns kann sich überhaupt an sein letztes richtiges Sonntagsfrühstück erinnern.

Meist fällt man doch zur Mittagszeit irgendwann aus dem Bett und wankt schlafgetrunken und vollkommen übernächtigt Richtung Küche. Man weiß nur eins. Erstmal versuchen Kaffee zu kochen. Während man sich danach hin zum Bad kämpft und dort den Fehler begeht in den Spiegel zu schauen, wird einem klar, dass Feiern gehen früher irgendwie leichter war. Nach dieser erschreckenden Tatsache, ist man jedenfalls erst einmal einigermaßen Wach und wird auf dem Weg zurück zur Küche dem Ausmaß der Katastrophe bewusst, welche man in der Nacht zuvor in der eigenen Wohnung hinterlassen hat. In der Küche stellt man dann fest, dass man vergessen hat Kaffee in die Kaffeemaschine zu füllen, weshalb man jetzt nur warmes Wasser in der Kanne hat. Auf der Suche nach etwas Essbarem stößt man auch nicht über frische Brötchen, sondern über ein verschimmeltes Stück Brot, weiches Knäckebrot und ein Stück Pizza von vor letzter Woche. Für welches man sich auch dann entscheidet.

Doch auch das klassische Familienfrühstück ist verkommen. Wenn man es als Familie tatsächlich mal schafft, sich an einem Sonntag Mittag zum Frühstück zusammenzutreffen, hat man zwar vielleicht die Auswahl an Lebensmitteln auf dem Tisch, die man sich gerne wünscht, muss dafür aber in diese halbtoten Gesichter schauen, die zufälligerweise die gleichen Genpool tragen. Anstatt angeregten Gesprächen, versucht man sich nicht in die Augen zu schauen, sondern starrt auf sein Smartphone und begutachtet die Bilder, die man letzte Nacht im Suff gemacht hat und versehentlich auf Facebook hochgeladen hat. Während man durch seine Timeline scrollt, wird man sich immerhin bewusst, nicht der einzige gewesen zu sein, dem es letzte Nacht so erging.
Auch so Kleinigkeiten, wie jemand nimmt das letzte Stück des gutes Käses oder den letzten Schluck Kaffee, können ausreichen, um einen Krieg in der Familie auszulösen und den restlichen Tag schlechte Laune zu verbreiten.

Doch auch ohne Kinder, sieht das Frühstück am Sonntag nicht viel besser aus. In der Theorie gehen ältere Paar doch am Sonntag früh gemeinsam Joggen und treffen sich anschließend frisch geduscht zum gemeinsamen Sektfrühstück. Neben frischen Brötchen und geräuchertem Lachs gibt es auch Sekt, um den Kreislauf anzuregen, wie es immer heißt. Doch fällt das Joggen recht schnell, aufgrund von angeblichen Knieproblemen weg und man geht direkt über zu stärkeren Schnäpsen, weil man anders den Partner einfach nicht mehr aushält. Auf hartgekochte Eier wird ohnehin verzichtet, da sie angeblich zu viel Cholesterin haben. Doch stimmt das nicht. So wissen wir doch alle seit Loriot, dass es keine Eier mehr gibt, weil sich sonst reihenweise Paare umbringen würden.

Nach all dieser schlechten Laune, mag sich der geneigte Leser nun fragen, ob es überhaupt ein perfektes Sonntagsfrühstück gibt? Und ich kann euch versichern, es gibt ein perfektes Sonntagsfrühstück. Doch wie sieht es aus?

In erster Linie findet es alleine statt. Man muss nur am Tag zuvor gute Brötchen kaufen, welche man dann am Sonntag aufwärmt. Man breitet sich dazu auf dem Küchentisch mit allem aus, was man zum Frühstücken braucht. Ein guter Belag darf nicht fehlen. Auch kann man sich überlegen, den Kaffee mal von Hand zu mahlen und am Tag zuvor nicht Feiern zu gehen. Während man dann in lasziver Nonchalance eine Scheibe Stinkekäse auf sein warmes Brötchen legt, hört man leise im Hintergrund Radio und liest, auf einem Smartphone oder Tablet, was in der Welt passiert ist. Abgesehen mal von den eigenen Haustieren, welche in der Küche anwesend sein dürfen, darf niemand diese Ruhe stören. Sonst gibt es Krieg.

Frühstück mit einem Kater
Frühstück mit einem Kater